Sonntag, 16.11.2025
Lk 21,5-19
Ein Evangelium zum Fürchten:
Volk wird sich gegen Volk, Reich gegen Reich erheben …
Erdbeben, Seuchen und Hungersnöte, schreckliche Dinge und gewaltige Zeichen …
Sogar Auslieferung durch die, die uns am nächsten sind.
Was bleibt da noch an Hoffnung?
Und ganz schnell ist er da – der Querverweis zu Ereignissen, die wir täglich in den
Nachrichten wahrnehmen.
Ist also die Zeit schon angebrochen, in der dann – so, wie es gleich am Anfang des
Evangeliums geheißen hat – kein Stein auf dem anderen bleibt und das Ende nahe ist?
Dann kommt auch bald die Furcht daher … wohl auch schon von den Jünger*innen, die
Antworten von Jesus darauf erhoffen: kann ich mich überhaupt darauf vorbereiten – auf
das, was kommt?
Können wir als Gemeinschaft die Gefahren abwenden, die da auf uns zukommen?
Ich bin Kind der 80er und 90er-Jahre: eine Zeit, in der große Ideologien besiegt worden
sind, der Kalte Krieg sein Ende fand und an vielen Orten der Welt der real existierende
Sozialismus überwunden zu sein schien, sogar von einem „Ende der Geschichte“
(Francis Fukuyama) gesprochen wurde.
Aus meiner Erinnerung, meiner vielleicht auch kindlich-jugendlichen Weltsicht heraus
hatte ich das Gefühl, dass es die Menschheit schafft, Konflikte auf friedliche Weise zu
lösen.
Krieg, Waffen, Heere – das schien für mich alles überwunden: Es schien ungemein viel
leichter, Pazifist zu sein als im 21. Jahrhundert.
Heute sehen wir uns mit einer Vielzahl von menschengemachten Bedrohungen hier in
Europa und auf der ganzen Welt konfrontiert und vielerorts hören wir – auch von einst
sehr friedensbewegten Menschen – den alten Auftrag: „Si vis pacem, para bellum! D.h.:
„Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor!“
Und auch ich selbst muss als Pazifist abwägen: wie entscheide ich mich?
Übe ich für den Erhalt des Friedens den Krieg oder halte ich – wie Jesus in Mt 5,39 –
dagegen, wenn er sagt: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!“
Das ist allerdings nicht leicht, wenn man dabei auch an seine eigenen Kinder denkt, die man beschützen will, soll, muss.
Für mich ist gerade folgender Vers in diesem Evangelium so eindrücklich:
„Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem
Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht
nach!“
Die Menschheitsgeschichte ist voller falscher Prophet:innen, Prediger:innen der Angst
und sofort haben wir wohl auch den einen oder anderen politischen Agitator im Kopf:
Menschen, die mit der Angst der anderen spielen und damit versuchen, über sie, ihr
Land, die Welt an Macht zu gewinnen.
Mitunter fragen wir uns, wie es dazu kommen kann, dass – oft sehenden Auges –
Menschen ins Verderben des Krieges laufen.
Wie fragen Kinder danach?
Frage aus dem Buch:
Ida: Wie finden die Menschen des angreifenden Landes den Krieg?
Antwort aus dem Buch: Elisabeth Raffauf, Günther Jakobs: Wann ist endlich Frieden?
S. 15
Angst vor Unbekanntem führt zu Hass gegen Andere und nicht selten gipfelt dies in
Gewalt und Krieg.
In der Bibel hören wir immer wieder den Satz „Fürchte dich nicht/fürchtet euch nicht/
habt keine Angst!“
… anscheinend 365x (je nach Lesart) …
Für jeden Tag des Jahrs also zugesagt Furchtlosigkeit!
Wir dürfen aus dem Glauben heraus also unsere Ängste ablegen, denn – so heißt es bei
Jesaja (Jes 41,10): „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; / hab keine Angst, denn ich
bin dein Gott! Ich habe dich stark gemacht, / ja ich habe dir geholfen und dich gehalten!“
Das heißt nicht, dass wir nicht besorgt sein dürfen, im Gegenteil:
Sorge bedeutet das umsichtige Achten auf Entwicklungen, die nicht dem Leben dienen.
Was ist daraus aber die Konsequenz? Bleibe ich in einer furchtvollen Schreckstarre und
sage: „Es ist alles aus! Da kann man leider nichts machen.“ Oder erwächst daraus ein
Auftrag zur Fürsorge: Sorge für die Angstvollen, Sorge für die Schöpfung, Sorge für
einander.
Es gibt also zwei Formen von Ängsten: die weise, die prüft und uns zum Handeln einlädt,
und die lähmende, die uns fremder Macht ausliefert.
Das gehörte Evangelium ruft uns dazu auf, in Weisheit zu unterscheiden und nicht
jedem/jeder Weltuntergangsprohet:in nachzulaufen oder gar selber zum/zur lauten Verführer:in zu werden und in das Geschrei einzustimmen.
Mit Jesus wissen wir: Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken!
Nicht das Ende ist nah, nein vielmehr der Anfang ist da: der Anfang von unserem Auftrag,
uns auf das Wahre, Gute, Schöne zu besinnen und es auch zu tun.
Denn wir haben göttliche Unterstützung – und diese göttliche Unterstützung kommt nur durch uns voran.
Mit Theresa von Avila dürfen wir beten und singen:
»Nichts soll dich ängstigen, nichts soll dich erschrecken, alles vergeht.
Gott bleibt derselbe, Geduld erlangt alles. Wer Gott hat, dem wird nichts fehlen.
Gott allein genügt.«
Amen.
Sebastian Schlöglmann